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Der Journalist Harald Schumann spricht über „Innere Pressefreiheit“

 

„Das ist in der … das muss man wirklich offen sagen, das ist in der deutschen Presse Gang und Gäbe, dass Chefreakteure oder Ressortleiter ihren Untergebenen sagen, wie sie zu denken haben, dass Vorgaben gemacht werden, was sie recherchieren dürfen und was nicht, und dass viele junge Kollegen daran gehindert werden, überhaupt kritische Journalisten zu werden, weil ihre Vorgesetzten das gar nicht nicht wollen.“
 

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Der Journalist Harald Schumann erhielt am 3.11.2010 in Berlin den 1. Preis „Der lange Atem“ 2010. Dabei nutzte er die Gelegenheit, um auf die übliche Maulkorbpraxis in deutschen Redaktionsstuben hinzuweisen. Hier ein Ausschnitt aus einem Radiointerview:

„Es gibt einen wichtigen Punkt der Pressefreiheit, die in Deutschland fast nie zur Sprache kommt, und zwar die innere Pressefreiheit in den Redaktionen. Die ist nämlich keineswegs überall gegeben. Ich hab das ja nun am eigenen Leib über viele Jahre beim Spiegel mitgemacht, aber ich weiß es auch aus anderen Redaktionen … es ist nicht so, dass, wenn der Redakteur oder der Reporter, der eine Sache recherchiert hat und etwas für richtig oder für falsch erkannt hat, dass das dann automatisch auch genau so im Blatt erscheint, sondern … es kommt immer noch sehr häufig vor, dass Kollegen, die hervorragende Arbeit gemacht haben, die hervorragend schreiben und recherchieren, nicht das schreiben dürfen und können was eigentlich der Wahrheit entspricht, sondern es wird zurecht gebogen, klein gemacht, zurecht gekürzt, wenn es den jeweiligen Gesinnungen, Absichten und Interessen ihrer Vorgesetzten nicht entspricht.“

Der Tagesspiegel-Journalist Harald Schumann während seiner Dankesrede nach Erhalt des Journalistenpreises „Der lange Atem“ für seinen langen Atem bei der Analyse der Banken- und Finanzkrise, verliehen durch den Journalistenverband Berlin-Brandenburg im DJV in dieser Woche. Im Interview mit dem Medienmagazin erklärt er seine Kritik an der inneren Pressefreiheit.

„Es gibt häufig politische und wirtschaftliche Interessen von Chefredakteuren und Verlegern und die werden von oben nach unten durchgestellt und viele Kollegen werden gezwungen, sich dem zu beugen.“

Können Sie da Beispiele nennen? Sie haben kurz angedeutet, dass Sie beim SPIEGEL Ihre Themen gar nicht mit der nötigen äh ja .. Würdigung empfunden haben …

„Nein … es ging nicht um Würdigung, ich durfte seit 1999 zu allen Themen der politischen Ökonomie de facto nicht schreiben.“

Mit welcher Begründung?

„Ja, zu kritisch, zu links, nicht angepasst genug … das wurde nicht begründet, sondern ich bekam einfach, wenn ich die Themen vorschlug, bekam ich die Aufträge nicht, und dann konnte ich gar nicht erst anfangen.“

Haben Sie ´ne Theorie, warum der Spiegel auf Ihren Sachverstand verzichtet hat, denn … nach der Bankenkrise gab es doch ´n riesengroßen Reporterbericht, wo mehrere Edelfedern versucht haben, den Crash zu rekonstruieren.

„Nee, die Geschichte war anders, ich hab´ ja beim Spiegel gekündigt. Insofern hatte der Spiegel, oder die Chefredaktion des Spiegel, nicht die Wahl auf mich zu verzichten oder nicht, ich wollte ja dort nicht mehr arbeiten, das war ´n anderer Konflikt, da ging es nicht um dieses Thema, sondern da ging´s um die Energiepolitik und der damalige Chefredakteur hatte privat ein Interesse gegen Windkraft zu sein, weil es seine Pferdezucht … im Landkreis Stade bedrohte und deswegen sollte von da an der ganze Spiegel gegen Windkraft sein … eine Geschichte, die von mir und ´nem Kollegen recherchiert war, wurde dann mit dieser … letztlich mit dieser Begründung nicht gedruckt und statt dessen erschien eine Anti-Windkraft-Titel-Geschichte, die so haarsträubend, falsch und manipuliert und mit gefälschten Fotos und gefälschten Zitaten war, dass ich gedacht hab´, das ist nicht mehr meine Zeitung und deswegen hab´ ich damals gekündigt.“

Aber Sie sagen schon, dass es ´n Phänomen ist, das nicht nur ´n Einzelfall ist diese innere Pressefreiheit, sondern dass das ´n Problem da ist.

„Das ist in der … das muss man wirklich offen sagen, das ist in der deutschen Presse Gang und Gäbe, dass Chefreakteure oder Ressortleiter ihren Untergebenen sagen, wie sie zu denken haben, dass Vorgaben gemacht werden, was sie recherchieren dürfen und was nicht, und dass viele junge Kollegen daran gehindert werden, überhaupt kritische Journalisten zu werden, weil ihre Vorgesetzten das gar nicht nicht wollen.“

Sie nehmen ausdrücklich die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht aus … warum?

„Weil ich genügend Kollegen aus öffentlich-rechtlichen Anstalten kenne, die mir genau solche Geschichten berichtet haben und mir das hundertfach bestätigt haben, also, in sofern … die sind da nicht auszunehmen.“

Quellen:

Podiumsrede von Harald Schumann: http://vimeo.com/16498500 (ab 9min)