Inhalt Teil 1: Grundlegung der Gesichtspunkte und Abklärung der historischen Gegebenheiten und Chancen >>
Teil 2: Grundzüge einer
föderalistischen und demokratischen Verfassung
>> |
|
|||
|
|
|||
1:10
|
|
|
||
2:17 Was ist eine Verfassung? - Allgemeine Erörterung
"Eine Verfassung ist die Gesamtentscheidung eines freien Volkes über die Formen und die Inhalte seiner politischen Existenz." |
Was heißt aber Verfassung ? Eine Verfassung ist die Gesamtentscheidung eines freien Volkes über die Formen und die Inhalte seiner politischen Existenz. Eine solche Verfassung ist dann die Grundnorm des Staates. Sie bestimmt in letzter Instanz ohne auf einen Dritten zurückgeführt zu werden brauchen, die Abgrenzung der Hoheitsverhältnisse auf dem Gebiet und dazu bestimmt sie die Rechte der Individuen und die Grenzen der Staatsgewalt. Nichts steht über ihr, niemand kann sie außer Kraft setzen, niemand kann sie ignorieren. Eine Verfassung ist nichts anderes als die in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes. Darin liegt ihr Pathos, und dafür sind die Völker auf die Barrikaden gegangen. Wenn wir in solchen Verhältnissen zu wirken hätten, dann brauchten wir die Frage: worum handelt es sich denn eigentlich? nicht zu stellen. Dieser Begriff einer Verfassung gilt in einer Welt, die demokratisch sein will, die also das Pathos der Demokratie als ihr Lebensgesetz anerkennen will, unabdingbar. |
|||
4:42
auferlegte / oktroyierte oder Konstitution aus freiem Willen |
Freilich weiß jeder von uns, dass man Ordnungsgesetze anderer Art auch schon Verfassung genannt hat, zum Beispiel die oktroyierten Verfassungen der Restaurationszeiten, etwa die Charte von 1814. Diese oktroyierten Verfassungen waren zweifellos gelegentlich technisch nicht schlecht, und die Fürsten, die sie gegeben haben, mochten dann und wann durchaus gute Absichten gehabt haben; aber das Volk hat diese Dinge nie als Verfassungen betrachtet, und die Revolutionen von 1830 sind nichts anderes gewesen als der Aufstand der Völker Europas gegen die oktroyierten Verfassungen, die nicht im Wege der Selbstbestimmung der Völker entstanden, sondern auferlegt worden sind. Es kam in diesen Revolutionen die Erkenntnis zum Ausdruck, dass eine Verfassung in einer demokratischen Welt etwas mehr sein muss als ein bloßes Reglement, als ein bloßes Organisationsstatut. Die Ordnung des Behördenaufbaus, die Ordnung der Staatsfunktionen, die Abgrenzung der Rechte der Individuen und der Obrigkeit sind durchaus vorstellbar und das hat es gegeben – im Bereich der organischen Artikel des absolutistischen Obrigkeitsstaates, ja auch im Bereich der Fremdherrschaft.
Man wird aber da nicht von Verfassungen sprechen, wenn Worte ihren Sinn behalten sollen; denn es fehlt diesen Gebilden der Charakter des keinem fremden Willen unterworfenen Selbstbestimmtseins. Es handelt sich dabei um Organisation und nicht um Konstitution. Ob eine Organisation von den zu Organisierenden selber vorgenommen wird oder ob sie der Ausfluss eines fremden Willens ist, macht keinen prinzipiellen Unterschied; denn bei Organisationen kommt es wesentlich und ausschließlich darauf an, ob sie gut oder schlecht funktionieren. Bei einer Konstitution aber ist das anders. Dort macht es einen Wesensunterschied, ob sie eigenständig geschehen ist oder ob sie der Ausfluss fremden Willens ist; denn eine Konstitution ist nichts anderes als das Ins-Leben-Treten eines Volkes als politischer Schicksalsträger aus eigenem Willen. |
|||
7:50
Was ist der Staat?
Staat als Herrschaftsapparat |
Dies alles gilt auch von der Schaffung eines Staates. Sicher, Staaten können auf die verschiedenste Weise entstehen. Sie können sogar durch äußeren Zwang geschaffen werden. Staat ist aber dann nichts anderes als ein Ausdruck für Herrschaftsapparat, so wie etwa die Staatstheoretiker der Frührenaissance von il stato sprachen. Il stato, das ist einfach der Herrschaftsapparat gewesen, der in organisierter Weise Gewalt über ein Gebiet ausgeübt hat. Aber es ist ja gerade der große Fortschritt auf den Menschen hin gewesen, den die Demokratie getan hat, dass sie im Staat etwas mehr zu sehen begann als einen bloßen Herrschaftsapparat. Staat ist für sie immer gewesen das In-die-eigene-Hand-nehmen des Schicksals eines Volkes, Ausdruck der Entscheidung eines Volkes zu sich selbst. |
|||
9:02
Fremdherrschaft oder Freiheit eines Volkes |
Man muss wissen, was man will, wenn man von Staat spricht, ob den bloßen Herrschaftsapparat, der auch einem fremden Gebieter zur Verfügung stehen kann, oder eine lebendige Volkswirklichkeit, eine aus eigenem Willen in sich selber gefügte Demokratie. Ich glaube, dass man in einem demokratischen Zeitalter von einem Staat im legitimen Sinne des Wortes nur sprechen sollte, wo es sich um das Produkt eines frei erfolgten konstitutiven Gesamtaktes eines souveränen Volkes handelt. Wo das nicht der Fall ist, wo ein Volk sich unter Fremdherrschaft und unter deren Anerkennung zu organisieren hat, konstituiert es sich nicht – es sei denn gegen die Fremdherrschaft selbst – , sondern es organisiert sich lediglich, vielleicht sehr staatsähnlich, aber nicht als Staat im demokratischen Sinn. Es ist, wenn Sie mir ein Bild aus dem römischen Recht gestatten wollen, so: wie man dort den Freien und den Sklaven und den Freigelassenen kannte, wäre ein in dieser Weise organisiertes Gemeinwesen nicht ein Staat, sondern stünde dem Staat im selben Verhältnis gegenüber wie der Freigelassene dem Freien. Diese Organisation als staatsähnliches Wesen kann freilich sehr weit gehen. Was aber das Gebilde von echter demokratisch legitimierter Staatlichkeit unterscheidet, ist, dass es im Grunde nichts anderes ist als die Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft; denn die trotz mangelnder voller Freiheit erfolgende Selbstorganisation setzt die Anerkennung der fremden Gewalt als übergeordneter und legitimierter Gewalt voraus. Nur wo der Wille des Volkes aus sich selber fließt, nur wo dieser Wille nicht durch Auflagen eingeengt ist durch einen fremden Willen, der Gehorsam fordert und dem Gehorsam geleistet wird, wird Staat im echten demokratischen Sinne des Wortes geboren. Wo das nicht der Fall ist, wo das Volk sich lediglich in Funktion des Willens einer fremden übergeordneten Gewalt organisiert, sogar unter dem Zwang, gewisse Direktiven dabei befolgen zu müssen, und mit der Auflage, sich sein Werk genehmigen zu lassen, entsteht lediglich ein Organismus mehr oder weniger administrativen Gepräges. Dieser Organismus mag alle normalen, ich möchte sagen, inneren Staatsfunktionen haben; wenn ihm die Möglichkeit genommen ist, sich die Formen seiner Wirksamkeit und die Grenzen seiner Entscheidungsgewalt selber zu bestimmen, fehlt ihm, was den Staat ausmacht, nämlich die Kompetenz der Kompetenzen im tieferen Sinne des Wortes, das heißt die letzte Hoheit über sich selbst und damit die Möglichkeit zu letzter Verantwortung. Das alles hindert nicht, dass dieser Organismus nach innen in höchst wirksamer Weise obrigkeitliche Gewalt auszuüben vermag. |
|||
13:21
Zur Lage Deutschlands 1948
Kapitulation nur der Wehrmacht |
Was ist nun die Lage Deutschlands heute? Am 8. Mai 1945 hat die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert. An diesen Akt werden von den verschiedensten Seiten die verschiedensten Wirkungen geknüpft. Wie steht es damit? Die bedingungslose Kapitulation hatte Rechtswirkungen ausschließlich auf militärischem Gebiet. Die Kapitulationsurkunde, die damals unterzeichnet wurde, hat nicht etwa bedeutet, dass damit das deutsche Volk durch legitimierte Vertreter zum Ausdruck bringen wollte, dass es als Staat nicht mehr existiert, sondern hatte lediglich die Bedeutung, dass den Alliierten das Recht nicht bestritten werden sollte, mit der deutschen Wehrmacht nach Gutdünken zu verfahren. Das ist der Sinn der bedingungslosen Kapitulation und kein anderer. |
|||
Deutschland ist weder annektiert noch subjugiert
(verknechtet) worden: Der deutsche Staat ist nicht vernichtet. |
Manche haben daran andere Rechtsfolgen geknüpft. Sie haben gesagt, auf Grund dieser bedingungslosen Kapitulation sei Deutschland als staatliches Gebilde untergegangen. Sie argumentieren dabei mit dem völkerrechtlichen Begriff der debellatio, der kriegerischen Niederwerfung eines Gegners. Diese Ansicht ist schlechterdings falsch. Nach Völkerrecht wird ein Staat nicht vernichtet, wenn seine Streitkräfte und er selbst militärisch niedergeworfen sind. Die debellatio vernichtet für sich allein die Staatlichkeit nicht, sie gibt lediglich dem Sieger einen Rechtstitel auf Vernichtung der Staatlichkeit des Niedergeworfenen durch nachträgliche Akte. Der Sieger muss also von dem Zustand der debellatio Gebrauch machen, wenn die Staatlichkeit des Besiegten vernichtet werden soll. Hier gibt es nach Völkerrecht nur zwei praktische Möglichkeiten. Die eine ist die Annexion. Der Sieger muss das Gebiet des Besiegten annektieren, seinem Gebiet einstücken. Geschieht dies, dann allerdings ist die Staatlichkeit vernichtet. Oder er muss zur sogenannten Subjugation schreiten, der Verknechtung des besiegten Volkes. Aber die Sieger haben nichts von dem getan. Sie haben in Potsdam ausdrücklich erklärt, erstens, dass kein deutsches Gebiet im Wege der Annexion weggenommen werden soll, und zweitens, dass das deutsche Volk nicht versklavt werden soll. Daraus ergibt sich, dass zum mindesten aus den Ereignissen von 1945 nicht der Schluß gezogen werden kann, dass Deutschland als staatliches Gebilde zu existieren aufgehört hat. Aber es ist ja 1945 etwas geschehen, was ganz wesentlich in unsere staatlichen und politischen Verhältnisse eingegriffen hat. Es ist etwas geschehen, aber eben nicht die Vernichtung der deutschen Staatlichkeit. |
|||
17:26
Der Machtapparat der Diktatur wurde zerschlagen -
Der Staat ist dadurch zwar desorganisiert - aber nicht vernichtet worden.
Deutschland ist als Rechtssubjekt weiter vorhanden.
Die Besatzungsmächte üben eine Art von "Treuhänderschaft von oben" aus.
Auch das deutsche Volk ist als Staatsvolk erhalten geblieben. |
Aber was ist denn nun geschehen? Erstens: Der Machtapparat der Diktatur wurde zerschlagen. Da dieser Machtapparat der Diktatur durch die Identität von Partei und Staat mit dem Staatsapparat identisch gewesen ist, ist der deutsche Staat durch die Zerschlagung dieses Herrschaftsapparats desorganisiert worden. Desorganisation des Staatsapparats ist aber nicht die Vernichtung des Staates der Substanz nach. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den ersten Monaten nach der Kapitulation im Sommer 1945, als keinerlei Zentralgewalt zu sehen war, sondern als die Bürgermeister der Gemeinden als kleine Könige regierten – die Landräte auch und die ersten gebildeten Landesverwaltungen erst recht – , alle diese Leute und alle diese Stellen ihre Befugnisse nicht für sich ausübten, nicht für die Gemeinden und für das Land, sondern fast überall für das Deutsche Reich. Es war eine Art von Treuhänderschaft von unten, die sich dort geltend machte. Ich erinnere mich noch genau, wie es in diesen Monaten war, wie die Landräte die Steuern einzogen, nicht etwa, weil sie geglaubt hätten, sie stünden ihnen zu, sondern sie zogen sie ein, weil jemand dieses Geschäft stellvertretend für das Ganze besorgen musste. Ähnlich machten es die Bürgermeister und machten es auch die Landesverwaltungen. Als man z. B. in der französischen Zone die Länder veranlassen wollte, einen Vertrag zu schließen, in dem ihnen zugestanden war, das deutsche Eisenbahnvermögen auf sich selber zu übertragen, da haben diese Länder sich geweigert, dies zu tun, und haben gesagt: Aus technischen Gründen mag der Vertrag nötig sein, wir übernehmen aber das Reichsbahnvermögen nur treuhändlerisch für Deutschland! Diese Auffassung, dass die Existenz Deutschlands als Staat nicht vernichtet und dass es als Rechtssubjekt erhalten worden ist, ist heute weitgehend Gemeingut der Rechtswissenschaft, auch im Ausland. Deutschland existiert als staatliches Gebilde weiter. Es ist rechtsfähig, es ist aber nicht mehr geschäftsfähig, noch nicht geschäftsfähig. Die Gesamtstaatsgewalt wird zum mindesten auf bestimmten Sachgebieten durch die Besatzungsmächte, durch den Kontrollrat im ganzen und durch die Militärbefehlshaber in den einzelnen Zonen ausgeübt. Durch diese Treuhänderschaft von oben wird der Zusammenhang aufrechterhalten. Die Hoheitsgewalt in Deutschland ist also nicht untergegangen; sie hat lediglich den Träger gewechselt, indem sie in Treuhänderschaft übergegangen ist. Das Gebiet Deutschlands ist zwar weitgehend versehrt, aber der Substanz nach ist es erhalten geblieben, und auch das deutsche Volk ist - und zwar als Staatsvolk - erhalten geblieben. |
|||
21:25
Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Ostgebieten usf. wird von Carlo Schmid als Unrecht aufgefasst - allerdings als ein solches, für das die Deutschen selbst die Grundlagen gelegt haben. |
Gestatten Sie mir hier ein Wort zum „Staatsvolk“. Es hat sich in dieser Hälfte Deutschlands ungemein vermehrt durch die Flüchtlinge, durch Millionen Menschen, die ausgetrieben wurden aus Heimaten, in denen ihre Vorfahren schon seit Jahrhunderten ansässig gewesen sind. Man sollte in der Welt nicht so rasch vergessen, was damit geschehen ist! Denn wenn wir hier es zu schnell vergessen sollten, wenn wir dieses Wissen aus unserem Bewusstsein verdrängen sollten, könnte es geschehen, dass einige Generationen später das Verdrängte in böser Gestalt wieder aus dem Dunkel des Vergessens emporsteigen könnte! Man sollte gerade im Zeitalter der Nürnberger Prozesse von diesen Dingen sprechen! Freilich wissen wir genau, dass die Austreibung von Bevölkerungen nicht von den Siegern dieses Krieges, sondern von den Nationalsozialisten erfunden worden ist und das, was bei uns geschah, lediglich das Zurückkommen des Bumerangs ist, der einst von hier ausgeworfen wurde. Trotzdem aber bleibt bestehen, dass, was nach dem Kriege geschehen ist, auch Unrecht ist! Es gibt ein französisches Sprichwort. „On n’excuse pas le mal par le pire“: Man rechtfertigt das Böse nicht durch den Hinweis auf ein noch Böseres. |
|||
Deutschland muss nicht neu geschaffen werden - es muss nur neu organisiert werden. Nur ein Systemwechsel ist nötig.
Die Besatzer intervenieren zwar stark in die deutschen
Verhältnisse.
Interventionistische Maßnamen als Dauermaßnahmen werden
durch die Haager Landkriegsordnung verboten.
|
|
|||
Blockade der deutschen Volkssouveränität durch die Besatzungsmächte als vorübergehendes Ereignis.
Freigabe von - Gemeinden - Ländern unter Vorbehalt des Ganzen ist m.E. schon geschehen.
Nunmehr wird eine weitere Schicht der Volkssouveränität freigegeben. Aber nicht die ganze.
Die Einrichtung der Westzonen - die Abtrennung der Ostzone - als Einschränkung der Volkssouveränität
|
Zu den interventionistischen Maßnahmen, die die Besatzungsmächte in Deutschland vorgenommen haben, gehört unter anderem, dass sie die Ausübung der deutschen Volkssouveränität blockiert haben. An und für sich ist die Volkssouveränität, in einem demokratischen Zeitalter zum mindesten, der Substanz nach unvermeidbar und unverzichtbar. Ich glaube, sagen zu können, dass dies auch heute der Standpunkt der offiziellen amerikanischen Stellen ist. Aber man kann die Ausübung der Volkssouveränität ganz oder teilweise sperren. Das ist bei uns 1945 geschehen. Sie wurde ursprünglich völlig gesperrt. Dann wurde diese Sperrung stückweise von den Besatzungsmächten zurückgezogen, immer weitere Schichten der deutschen Volkssouveränität wurden zur Betätigung freigegeben. Zuerst die Schicht, aus der heraus die Selbstkonstituierung und Selbstverwaltung der Gemeinden erfolgte, dann die Schicht, aus der heraus die politische und administrative Organisation von Gebietsteilen etwa in der Gestalt unserer Länder erfolgte. Die „regionale“ Schicht der deutschen Volkssouveränität wurde hier unter Vorbehalt des Ganzen freigelegt. Aber geben wir uns keinem Irrtum hin: auch bei diesen konstitutiven Akten handelte es sich nicht um freie Ausübungen der Volkssouveränität. Denn auch da war immer die Entscheidung weithin vorgegeben, am weitestehenden dadurch, dass ja die Besatzungsmächte selber es gewesen sind, die den größten Teil dieser Länder abgezirkelt und damit bestimmt haben. In der britischen Zone hatten die Länder bis heute noch keine Möglichkeit, sich auch nur formell selbst zu konstituieren. Dort wird am besten deutlich, in welchem Umfang Existenz und Konfiguration unserer Länder im wesentlichen Ausfluss des Willens der Besatzungsmächte sind. Nunmehr hat man uns eine weitere Schicht der Volkssouveränität freigegeben. Wir müssen uns fragen: Ist das, was uns nunmehr freigegeben worden ist, der ganze verbliebene Rest der bisher gesperrten Volkssouveränität? Manche wollen die Frage bejahen; ich möchte sie energisch verneinen. Es ist nicht der ganze Rest freigegeben worden, sondern ein Teil dieses Restes. Zuerst räumlich betrachtet: Die Volkssouveränität ist, wo man von ihrer Fülle spricht, unteilbar. Sie ist auch räumlich nicht teilbar. Sollte man sie bei uns für räumlich teilbar halten, dann würde das bedeuten, dass man hier im Westen den Zwang zur Schaffung eines separaten Staatsvolks setzt. Das will das deutsche Volk in den drei Westzonen aber nicht sein! Es gibt kein westdeutsches Staatsvolk und wird keines geben! |
|||
Nur das gesamte deutsche Volk kann volkssouverän handeln - und nicht ein Teil davon ... |
Das französische Verfassungswort: La Nation une et indivisible – die eine und unteilbare Nation – bedeutet nichts anderes, als dass die Volkssouveränität auch räumlich nicht teilbar ist. Nur das gesamte deutsche Volk kann volkssouverän handeln, und nicht eine Partikel davon. Ein Teil von ihm könnte es nur dann, wenn er legitimiert wäre, als Repräsentant der Gesamtnation zu handeln, oder wenn ein Teil des deutschen Volkes durch äußeren Zwang endgültig verhindert worden wäre, seine Freiheitsrechte auszuüben. Dann wäre ja nur noch der Rest, der bleibt, ein freies deutsches Volk, das deutsche Volkssouveränität ausüben könnte. |
|||
Noch ist Deutschland nicht völlig geteilt.
Mahnende Worte zum politischen Umgang in der bestehenden Situation.
|
Ist dieser Zustand heute schon eingetreten? Manche behaupten: Ja! Aber man sollte nicht vergessen: Noch wird verhandelt; noch ist man sich, zumindest offiziell, darüber einig, in der Verschiedenheit der Zonenherrschaft ein Provisorium zu sehen, etwas, das nach dem Willen aller, auch der Besatzungsmächte, vorübergehen soll. Es scheint mir nicht unser Interesse zu sein, einer Besatzungsmacht durch ein Tun unsererseits einen Vorwand für die Verwandlung des heutigen Provisoriums der Separation der einzelnen Zonen in das Definitivum der Separation Ost-Deutschlands zu liefern. Aber das ist eine politische Entscheidung. Können wir sie treffen? Können wir sie treffen in einem Zustand, in dem uns die Möglichkeit genommen ist, den Umfang des Risikos zu bestimmen, das Deutschland dabei treffen müsste? Eine gesamtdeutsche konstitutionelle Lösung wird erst möglich sein, wenn eines Tages eine deutsche Nationalversammlung in voller Freiheit wird gewählt werden können. Das setzt aber voraus entweder die Einigung der vier Besatzungsmächte über eine gemeinsame Deutschland-Politik oder einen Akt der Gewalt nach der einen oder anderen Seite. Mag sein, dass mancher Mann mit diesem Gedanken spielt; es lohnt sich aber vielleicht, diesen Gedanken einmal zu meditieren. Was bedeutet denn Gewalt in diesem Zusammenhang? Entweder die Vertreibung einer Besatzungsmacht, die einer gesamtdeutschen demokratischen Einigung widerstrebt. Könnte daraus etwas anderes werden als eine Katastrophe für die ganze Welt?
Oder aber es bedeutet endgültige Abtrennung einer Zone durch Gewaltanwendung einer Besatzungsmacht mit gleichzeitiger politischer Entmannung des deutschen Volkes in dieser Zone und damit die endgültige Verminderung Deutschlands auf den Teil, der über sich noch in Freiheit bestimmen könnte. Auch das wäre eine Katastrophe; auch eine Weltkatastrophe, nicht nur eine deutsche. Man sollte daher nichts tun, was dazu beitragen könnte, eine solche Katastrophe wahrscheinlicher zu machen, als sie aus sich selber heraus vielleicht heute schon ist. |
|||
41:58
Auferlegung bestimmter Inhalte für das Grundgesetz durch die Besatzer
Einschränkungen der deutschen Souveränität:
3. In Notstandssituationen können die Besatzungsmächte wieder die volle Hoheit übernehmen.
4. Verfassungsänderungen müssen genehmigt werden. |
Zu dieser räumlichen Einschränkung der Möglichkeit, Volkssouveränität auszuüben, kommt noch eine substanzielle Einschränkung. Wenn man die Dokumente Nr. I und III liest, die die Militärbefehlshaber den Ministerpräsidenten übergeben haben, dann erkennt man, dass die Besatzungsmächte sich eine ganze Reihe von Sachgebieten und Befugnissen in eigener oder in konkurrierender Zuständigkeit vorbehalten haben. Es gibt fast mehr Einschränkungen der deutschen Befugnisse in diesem Dokument Nr. I als Freigaben deutscher Befugnisse! Die erste Einschränkung ist, dass uns für das Grundgesetz bestimmte Inhalte auferlegt worden sind; weiter, dass wir das Grundgesetz, nachdem wir es hier beraten und beschlossen haben, den Besatzungsmächten zur Genehmigung werden vorlegen müssen. Dazu möchte ich sagen: Eine Verfassung, die ein anderer zu genehmigen hat, ist ein Stück Politik des Genehmigungsberechtigten, aber kein reiner Ausfluss der Volksouveränität des Genehmigungspflichtigen ! Die zweite Einschränkung ist, dass uns entscheidende Staatsfunktionen versagt sind: Auswärtige Beziehungen, freie Ausübung der Wirtschaftspolitik; eine Reihe anderer Sachgebiete sind vorbehalten. Legislative, Exekutive und sogar die Gerichtsbarkeit sind gewissen Einschränkungen unterworfen. Die dritte Einschränkung: Die Besatzungsmächte haben sich das Recht vorbehalten, im Falle von Notständen die Fülle der Gewalt wieder an sich zu nehmen. Die Autonomie, die uns gewährt ist, soll also eine Autonomie auf Widerruf sein, wobei nach den bisherigen Texten die Besatzungsmächte es sind, die zu bestimmen haben, ob der Notstand eingetreten ist oder nicht. Vierte Einschränkung: Verfassungsänderungen müssen genehmigt werden. |
|||
44:33
Konsequenzen aus der nur fragmentarischen Volksouveränität
- Es kann nur ein Staatsfragment organisiert werden. - Es kann keine Verfassung gemacht werden - sondern nur ein Grundgesetz für ein Staatsfragment.
"Die eigentliche Verfassung, die wir haben, ist auch heute noch das geschriebene oder ungeschriebene Besatzungsstatut." |
Also: Auch die jetzt freigegebene Schicht der ursprünglich voll gesperrten deutschen Volkssouveränität ist nicht das Ganze, sondern nur ein Fragment. Daraus ergibt sich folgende praktische Konsequenz:
Um einen Staat im Vollsinne zu organisieren, muss die Volkssouveränität sich in ihrer ganzen Fülle auswirken können. Wo nur eine fragmentarische Ausübung möglich ist, kann auch nur ein Staatsfragment organisiert werden. Mehr können wir nicht zuwege bringen, es sei denn, dass wir den Besatzungsmächten gegenüber – was aber eine ernste politische Entscheidung voraussetzen würde – Rechte geltend machen, die sie uns heute noch nicht einräumen wollen. Das müsste dann ihnen gegenüber eben durchgekämpft werden. Solange das nicht geschehen ist, können wir, wenn Worte überhaupt einen Sinn haben sollen, keine Verfassung machen, auch keine vorläufige Verfassung, wenn vorläufig lediglich eine zeitliche Bestimmung sein soll. Sondern was wir machen können, ist ausschließlich das Grundgesetz für ein Staatsfragment. Die eigentliche Verfassung, die wir haben, ist auch heute noch das geschriebene oder ungeschriebene Besatzungsstatut. Die Art und Weise, wie die Besatzungsmächte die Besatzungshoheit ausüben, bestimmt darüber, wie die Hoheitsbefugnisse auf deutschem Boden verteilt sein sollen. Sie bestimmt auch darüber, was an den Grundrechten unserer Länderverfassungen tatsächlich effektiv und was nur Literatur ist. Diesem Besatzungsstatut gegenüber ist alles andere sekundär, solange man in Anerkennung seiner Wirklichkeit handelt. Nichts ist für diesen Zustand kennzeichnender als der Schlusssatz in Dokument Nr. III, worin ausdrücklich gesagt ist, dass nach dem Beschluss des Parlamentarischen Rates und vor der Ratifikation dieses Beschlusses in den Ländern die Besatzungsmächte das Besatzungsstatut verkünden werden, damit das deutsche Volk weiß, in welchem Rahmen seine Verfassung gilt. Wenn man einen solchen Zustand nicht will, dann muss man dagegen handeln wollen. Aber das wäre dann Sache des deutschen Volkes selbst und nicht Sache staatlicher Organe, die ihre Akte jeweils vorher genehmigen lassen müssen. |
|||
48:14
Fazit:
"Einrichtung eines Grundgesetzes zur Organisation der heute
freigegebenen Hoheitsbefugnisse des deutschen Volkes in einem Teile
Deutschlands." |
Damit glaube ich die Frage beantwortet zu haben, worum es sich bei unserem Tun denn eigentlich handelt. Wir haben unter Bestätigung der alliierten Vorbehalte das Grundgesetz zur Organisation der heute freigegebenen Hoheitsbefugnisse des deutschen Volkes in einem Teile Deutschlands zu beraten und zu beschließen. Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten. Wir haben etwas zu schaffen, das uns die Möglichkeit gibt, gewisser Verhältnisse Herr zu werden, besser Herr zu werden, als wir das bisher konnten. Auch ein Staatsfragment muss eine Organisation haben, die geeignet ist, den praktischen Bedürfnissen der inneren Ordnung eines Gebietes gerecht zu werden. Auch ein Staatsfragment braucht eine Legislative, braucht eine Exekutive und braucht eine Gerichtsbarkeit. |
|||
Nähere Bestimmungen des Grundgesetzes:
1. Zeitliche Begrenzung des Grundgesetzes:
Das GG tritt automatisch außer Kraft an dem Tage, an dem eine vom deutschen Volke in freier Selbstbestimmung beschlossene Verfassung in Kraft tritt. |
Wenn man nun fragt, wo dann die Grenze gegenüber dem Voll-Staat, gegenüber der Vollverfassung liege: Nun, das ist eine Frage der praktischen Beurteilung im Einzelfall. Über folgende Gesichtspunkte aber sollte Einigkeit erzielt werden können: Erstens: Das Grundgesetz für das Staatsfragment muss gerade aus diesem seinen inneren Wesen heraus seine zeitliche Begrenzung in sich tragen. Die künftige Vollverfassung Deutschlands darf nicht durch Abänderung des Grundgesetzes dieses Staatsfragments entstehen müssen, sondern muss originär entstehen können. Aber das setzt voraus, dass das Grundgesetz eine Bestimmung enthält, wonach es automatisch außer Kraft tritt, wenn ein bestimmtes Ereignis eintreten wird. Nun, ich glaube, über diesen Zeitpunkt kann kein Zweifel bestehen: an dem Tage, an dem eine vom deutschen Volke in freier Selbstbestimmung beschlossene Verfassung in Kraft tritt. |
|||
51:09
2. Die Aufnahme der bisher ausgeschlossenen Teile des
Staates, die sich dem jetzt zu gründenden Staatsfragment anschließen
wollen, soll so einfach wie möglich sein.
|
Zweitens: Für das Gebiet eines echten, vollen Staates ist charakteristisch, dass es geschlossen ist, dass also nichts hineinragen und nichts über seine Grenzen hinausragen kann. Bei einem Staatsfragment kann dies anders sein. Hier ist räumliches Offensein möglich. Das wird sich in unserer Arbeit in einem doppelten Sinne niederschlagen können und, wie ich glaube, auch müssen. Dieses Grundgesetz muss eine Bestimmung enthalten, auf Grund derer jeder Teil deutschen Staatsgebietes, der die Aufnahme wünscht, auch aufgenommen werden muss; wobei die Frage noch zu klären sein wird, wie dies geschehen soll und ob Bedingungen aufgestellt werden sollen. Ich glaube, man sollte die Aufnahme so wenig als möglich erschweren. Schließlich bleibt die Frage, ob nicht die Teile Deutschlands, die außerhalb des Anwendungsgebietes des Grundgesetzes verbleiben müssen, die Möglichkeit sollen erhalten können, an den gesetzgebenden Organen sich zu beteiligen, die das Grundgesetz schaffen wird. Über das Wie und die Frage, ob sie es allgemein sollen tun können, wird hier noch zu sprechen sein. Aber eine Voraussetzung scheint mir dafür vorliegen zu müssen: Es müssen in diesem Gebiet freie Wahlen möglich sein; es muss die Möglichkeit bestehen, Vertreter hierher zu entsenden. Dies trifft heute schon auf Berlin zu, und deshalb sollte das Grundgesetz die Bestimmung vorsehen, dass Vertreter Berlins in die gesetzgebenden Körperschaften zu berufen sind. Ich weiß, man kann sagen, das sei nicht logisch, denn es sei nicht logisch, Vertreter von Gebieten an der Gesetzgebung zu beteiligen, auf die von ihnen mitbeschlossene Gesetze keine Anwendung fänden. Ich gebe zu, dass es in der Tat nicht sehr logisch ist. Aber hier handelt es sich nicht so sehr darum, Logik zu treiben, als politisch zu sein. Ich meine, man könnte das nicht auf wirksamere Weise tun, als durch das Sichtbarmachen der Tatsache, dass nur äußere Gewalt verhindert, dass hier alle Deutschen vertreten sind! Das Dritte, in dem das Fragmentarische zum Ausdruck kommen muss, ist die innere Begrenzung der Organe auf die durch äußeren Zwang heute noch eingeschränkten Möglichkeiten. Da stellt sich, um nur ein Beispiel zu nennen, das Problem des Aufbaus der Organe, z. B. die Frage: Soll ein Staatsoberhaupt, ein Bundespräsident vorgesehen werden? Braucht man in einem Staatsfragment – in Anbetracht der erforderlichen Dignität einer solchen Funktion – diese Funktion heute schon ins Leben zu rufen? Ist es nicht besser, statt des Präsidenten ein bescheideneres Organ mit den Aufgaben zu betrauen, die vernünftigerweise sonst ein Präsident zu erledigen hat? Soll das Amt nur ruhen? All das sind Fragen, die sich von dieser grundsätzlichen Betrachtung aus stellen müssen. Aber wenn auch die Ordnung, die wir gestalten sollen, nur die Ordnung eines Staatsfragmentes ist, so kann und sollte sie unserer Meinung nach doch so ausgestaltet werden, dass bei Ausweitung der heute gewährten Freiheitssphäre die geschaffene Organisation fähig ist, sie voll auszufüllen. Und darüber hinaus möchte ich noch sagen: Man sollte diese Organisation so stark und vollständig machen, dass sie fähig werden kann, durch ihr Wirken eine solche Ausweitung in Fluß zu bringen und durchzusetzen. |
|||
56:45
3. Soll die Weimarer Verfassung im Grundgesetz Erwähnung finden?
Insofern wenigstens, dass man sagt, dass sie, soweit sie
mit den zu bestimmenden Regeln des Grundgesetzes in Widerspruch steht,
ruht? |
Nun ergeben sich aus dem Wesen des Provisoriums eine Reihe praktischer Fragen für das Grundgesetz. Da ist zunächst das Problem, ob darin der Weimarer Verfassung Erwähnung getan werden soll oder nicht. Sicher besteht die Weimarer Verfassung – das ist meine persönliche Meinung – als Ganzes nicht mehr. Die Desorganisation Deutschlands durch die Nazi-Herrschaft und durch die Besetzung hat ihr zum mindesten auf weiten Strecken den Garaus gemacht. Auf der anderen Seite ist durch die bisherige Rechtsprechung herausgestellt worden, dass sie, wenigstens zum Teil, noch weiter gilt. Es besteht also auf diesem Gebiet zum mindesten eine Rechtsunsicherheit. Es ist die Frage, ob man dieser Rechtsunsicherheit nicht dadurch abhelfen sollte, dass das Grundgesetz der Weimarer Verfassung Erwähnung tut, etwa so, dass es ausspricht, dass sie, soweit ihre Bestimmungen in Widerspruch zu diesem Grundgesetz stehen, ruht. Weiter werden Bestimmungen in das Grundgesetz aufgenommen werden müssen, die die Frage der Weitergeltung von Gesetzen und Verordnungen betreffen, welche vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen wurden, sei es von den Ländern aus Sachgebieten, die künftig nicht mehr den Ländern zustehen sollen, sei es von Zonenorganen, sei es vom Wirtschaftsrat. Schließlich werden wir noch Bestimmungen für die Überleitung gewisser Kompetenzen auf etwa neu zu schaffende Organe vorsehen müssen. |
|||
58:54
Wer beschließt das Grundgesetz? Das deutsche Volk - oder die Länder?
Das deutsche Staatsvolk ist noch vorhanden. Ein Gesamtakt
des Staatsvolkes ist also noch möglich.
|
Und nun, meine Damen und Herren, komme ich zu einem weiteren grundsätzlichen Kapitel: Wo liegen die Hoheitsbefugnisse, auf Grund derer wir dieses Grundgesetz beraten und beschließen? Wer wird dabei durch uns tätig? Wird durch uns tätig das deutsche Volk? Oder werden durch uns tätig die Länder als in sich geschlossene Gebietskörperschaften? Diese Frage zu beantworten ist nicht müßig. Ich glaube vielmehr, dass der Umstand, wie wir sie beantworten, entscheidend für das ganze Werk ist. Deutschland ist, das glaube ich bewiesen zu haben, als staatliches Gebilde nicht untergegangen. Damit, dass Deutschland weiter besteht, gibt es auch heute noch ein deutsches Staatsvolk. Es ist also auf dem Gebiet, das heute durch die drei Westzonen umschrieben wird, ein Gesamtakt dieses deutschen Staatsvolkes noch möglich. Ein solcher Gesamtakt kann auch durch Länderverfassungen nicht verboten werden. |
|||
Es ist aber in Ländern gegliedert. Dennoch liegt die
Hoheitsgewalt nicht bei den Ländern sondern beim Volk. Andersherum dürfen auch die Ministerpräsidenten der Länder nicht nur partikulare sondern auch gesamtdeutsche Interessen wahrnehmen.
|
Das deutsche Volk ist aber keine amorphe Masse; es ist in Länder gegliedert, und es ist in seiner Geschichte bisher noch immer in dieser Gliederung in Länder politisch aufgetreten. Das deutsche Volk handelt auch, wenn es als das deutsche Volk in den Ländern Baden, Bayern, Hessen usw. auftritt, als deutsches Gesamtvolk. Darum ist es sicher, dass das Grundgesetz unseres Staatsfragments nicht auf Grund einer Vereinbarung der deutschen Länder zu entstehen braucht, weil die Quelle der Hoheitsgewalt nicht bei den Ländern liegt, sondern beim deutschen Volk. Von dieser Auffassung scheinen auch die Besatzungsmächte auszugehen. Die Dokumente Nr. I und II sind in diesem Punkt ganz deutlich. Nach Dokument Nr. II sollen die deutschen Ministerpräsidenten Vorschläge über die Änderung von Ländergrenzen machen; wohlgemerkt: alle Ministerpräsidenten für jeden beliebigen Teil des deutschen Staatsgebiets. Das ist nur möglich, wenn man als Auffassung der Besatzungsmächte annimmt, dass die Ministerpräsidenten treuhänderisch in Wahrung gesamtdeutscher Interessen handeln sollen. Denn wie käme sonst etwa der Ministerpräsident von Württemberg-Baden dazu, zu erklären, er sei nicht damit einverstanden, dass die Grenzen zum Beispiel Schleswig-Holsteins so und nicht anders verlaufen. Dazu ermächtigt ihn doch seine Landesverfassung nicht; dazu ist er doch nur ermächtigt, wenn man davon ausgeht, dass eine Möglichkeit besteht, gesamtdeutsche Interessen heute schon unmittelbar zu repräsentieren. |
|||
1:03:10 Erst recht ist der Parlamentarische Rat ein gesamtdeutsches Organ ...
Carlo Schmid stellt die Souveränitätsfrage: Wer hat zu
bestimmen: Das Volk oder die Länder: |
Weiter: Der Parlamentarische Rat ist fraglos ein gesamtdeutsches Organ. Wir hier, meine Damen und Herren, vertreten nicht bestimmte Länder, sondern wir vertreten die Gesamtheit des deutschen Volkes, soweit es sich vertreten lassen kann. Der Umstand, dass das deutsche Volk in der Gliederung in Länder auftritt, kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Wahl der Abgeordneten für dieses Hohe Haus durch die Landtage erfolgte, und darin, dass der Beschluss, zu dem wir kommen werden, in den Ländern zu ratifizieren ist. Notabene: Nur zu ratifizieren, und nicht etwa als Gesetz zu beschließen. Schließlich – und das scheint mir jeden Zweifel auszuschließen – weise ich auf die Bestimmung hin, dass das Grundgesetz für das ganze Gebiet der elf Länder auch dann gelten wird, wenn nur zwei Drittel der Länder zustimmen. Wie sollte es die Möglichkeit geben, dass zwei Drittel ein Drittel majorisieren, wenn man nicht von vornherein davon ausgeht, dass ein deutsches Staatsvolk, eine deutsche Staatswirklichkeit schon besteht und nicht erst entsteht, eine Staatswirklichkeit, die imstande ist, eine volonté générale herzustellen auch dort, wo eine volanté de tous nicht gegeben ist? Das alles ist nicht müßige Theorie, sondern eine Feststellung, die mir notwendig scheint. Denn wir müssen wissen, bei wem der Anspruch ruht; ob Deutschland unter Ländern ausgehandelt werden muss oder ob das deutsche Volk sich selbst sein Haus zu bauen hat. |
|||
1:05:20 Erwägungen zur Namensgebung des zu schaffenden Gebildes ...
Ist es richtig, einem Provisorium einen Namen zu geben?
Wenn ja: Es ist zu beachten, dass, was zu beschließen ist, nicht nur für Westdeutschland sondern für das gesamte deutsche Volk gelten soll.
Erwägungen zur Notwendigkeit einer Präambel
Erwägungen zu Flaggen und Symbolen
Es kann nur ein gemeindeutsches Symbol sein.
Carlo Schmid schlägt vor: |
Noch eine weitere Frage: Soll das Gebilde, dessen Organisation wir hier zu schaffen haben, einen Namen erhalten oder nicht? Die Frage ist von höchster Bedeutung. Nomina sunt omina. Namen bringen zum Ausdruck, was denn eigentlich entsteht oder entstehen soll. Nun ist die Frage die, ob sich ein Name überhaupt mit einem Provisorium verträgt, ob hier nicht statt eines Namens eine bloße Bezeichnung das Bessere wäre. Es wird hier von diesem Hohen Hause eine sehr politische Entscheidung getroffen werden müssen. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, von irgendeiner Seite her den Beweis zu führen, dass diese oder dass jene Antwort auf die gestellte Frage die richtige ist. Man muss sich da eben entscheiden. Aber welcher Name auch immer gegeben werden mag und ob ein Name gegeben wird oder nicht: in dem Gebiet, für das das Grundgesetz gilt, wird nicht eine separate westdeutsche Gebietshoheit ausgeübt, sondern gesamtdeutsche Hoheitsgewalt in Westdeutschland. Das sollte bei der Bezeichnung der Organe zum Ausdruck kommen. Denn was hier geschieht, ist zwar räumlich auf einen Teil Deutschlands beschränkt, aber wir sollten nie vergessen, dass es sich ableitet aus dem Rechte des gesamten deutschen Volkes! Wir werden uns überlegen müssen, ob wir dieses Grundgesetz mit einer Präambel einleiten sollen. Ich für meinen Teil halte es für notwendig; denn die Präambel charakterisiert das Wesen des Grundgesetzes. Sie sagt aus, was sein soll, und sie wird insbesondere aussagen müssen, was das Grundgesetz nicht sein soll. Die Präambel wird gewissermaßen die Tonart des Stückes angeben und sie wird darum alle konstitutiven Merkmale kennzeichnen und in sich enthalten müssen.
Weitere Frage: Soll dieses Staatsfragment Symbole erhalten, Farben und Flaggen; sollen es allgemeine Symbole sein, die dem ganzen Volke eigen sind, oder soll man sich mit Zwecksymbolen begnügen, etwa für die Schifffahrt, für Auslandsvertretungen usw.; oder soll man in das Grundgesetz überhaupt nichts über Symbole schreiben? Soll man sich auf ein künftiges Flaggengesetz verlassen, oder wie soll man sich sonst verhalten? Auch das wird eine politische Entscheidung erfordern. Aber eines scheint mir sicher zu sein: wenn sich dieses Hohe Haus für ein Symbol entscheiden sollte, dann kann es nur ein gemeindeutsches Symbol sein, und ich glaube, dass hierfür nichts anderes in Betracht kommen kann als die schönen Farben der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung, die Farben Schwarz-Rot-Gold!
|
|||
1:09:33
Grundzüge einer föderalistischen und demokratischen Verfassung:
1. Das Gemeinwesen muss gestellt sein auf die allgemeine Gleichheit und Freiheit der Bürger
d.i.:
b. Jeder Bürger muss in gleicher Weise am Zustandekommen der Gesetze teilhaben. (Volksstaatliches Postulat)
c. Jeder Hoheitsträger Beamter, Minister etc.) muss mittelbar (parlamentarische Demokratie) oder unmittelbar durch einen Wahlakt bestätigt sein ...
d. Grenzen der Freiheit und Gleichheit:
|
|
|||
1:14:48
2. Begründung der Gewaltenteilung
- und ihre Schranken:
Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung müssen gleichgeordnete, in sich verschiedene Organe sein, die sich gegenseitig kontrollieren und das Gleichgewicht halten können.
Ein Organ, in dem sich die gesamte Staatsgewalt vereinigt, wird die Macht missbrauchen.
Einschränkung: Machtmissbrauch ist auch durch Einzelgewalten möglich Bspl.: Richterliche Unabhängigkeit in der Weimarer Republik
|
Das Zweite, was
verwirklicht sein muss, wenn man von demokratischer Verfassung im
klassischen Sinne des Wortes sprechen will, ist das Prinzip der Teilung
der Gewalten. Sie wissen, dass die Verfassung von 1792 den Satz enthielt,
dass ein Staat, der nicht auf dem Prinzip der Teilung der Gewalten
aufgebaut sei, überhaupt keine Verfassung habe. Was bedeutet dieses
Prinzip? Es bedeutet, dass die drei Staatsfunktionen, Gesetzgebung,
ausführende Gewalt und Rechtsprechung, in den Händen gleichgeordneter, in
sich verschiedener Organe liegen, und zwar deswegen in den Händen
verschiedener Organe liegen müssten, damit sie sich gegenseitig
kontrollieren und das Gleichgewicht halten können. Diese Lehre hat ihren Ursprung
in der Erfahrung, dass, wo auch immer die gesamte Staatsgewalt sich in den
Händen eines Organes nur vereinigt, dieses Organ die Macht missbrauchen
wird.
Heute ist es wieder nötig, von diesen alten Dingen zu sprechen, denn gerade die Demokratie, die sich als besonders progressistisch bezeichnet, will die Teilung der Gewalten aufgeben. In dem Entwurf für eine deutsche Verfassung, den der Deutsche Volksrat ausgearbeitet hat, finden sich zum Beispiel eine Reihe von Bestimmungen, die nichts anderes sind als der Ausdruck dafür, dass das Prinzip der Teilung der Gewalten zugunsten der Allmacht des Parlaments nicht mehr gelten soll. Dort ist letztenendes die gesamte Gewalt im Parlament konzentriert. Das Parlament soll letztenendes nicht nur Gesetze erlassen und die Regierung politisch kontrollieren können, sondern es soll letztenendes auch über die Rechtmäßigkeit eines Geschehens entscheiden können. Wenn man so vorgeht, dann hat man alle Voraussetzungen für die Installierung einer Diktatur verwirklicht, und darum sollte man in dem Grundgesetz, das wir zu beschließen haben, klar zum Ausdruck bringen, dass das Prinzip der Teilung der Gewalten realisiert werden muss. |
|||
1:18:55
3. Die Garantie der Grundrechte:
Schutz des Rechtes der Individuen gegen die Ansprüche der
Staatsraison. Die Grundrechte müssen das Grundgesetz regieren; sie dürfen nicht nur ein Anhängsel des Grundgesetzes sein.
|
Als drittes Erfordernis für das Bestehen einer demokratischen Verfassung gilt im allgemeinen die Garantie der Grundrechte. In den modernen Verfassungen finden wir überall Kataloge von Grundrechten, in denen das Recht der Personen, der Individuen, gegen die Ansprüche der Staatsraison geschützt wird. Der Staat soll nicht alles tun können, was ihm gerade bequem ist, wenn er nur einen willfährigen Gesetzgeber findet, sondern der Mensch soll Rechte haben, über die auch der Staat nicht soll verfügen können. Die Grundrechte müssen das Grundgesetz regieren; sie dürfen nicht nur ein Anhängsel des Grundgesetzes sein, wie der Grundrechtskatalog von Weimar ein Anhängsel der Verfassung gewesen ist. Diese Grundrechte sollen nicht bloße Deklamationen, Deklarationen oder Direktiven sein, nicht nur Anforderungen an die Länderverfassungen, nicht nur eine Garantie der Länder-Grundrechte, sondern unmittelbar geltendes Bundesrecht, auf Grund dessen jeder einzelne Deutsche, jeder einzelne Bewohner unseres Landes vor den Gerichten soll Klage erheben können.
Nun wird die Frage sein, wieweit man den Umfang dieses Grundrechtskatalogs ziehen will. Sollen lediglich die sogenannten "echten" Grundrechte aufgenommen werden, also die Rechte der Individualperson, oder auch die Rechtsbestimmungen über die sogenannten Lebensordnungen, die so zahlreich über unsere neuen Länderverfassungen hin verstreut sind: Wirtschaft, Kultur, Familie usw.? Vielleicht wird es sich bei einem Provisorium empfehlen, keine endgültige Gestaltung der Lebensordnungen zu versuchen und sich statt dessen zu begnügen, einen recht klaren und wirksamen Katalog von Individual-Grundrechten aufzustellen, so wie in den klassischen Bills of Rights der angelsächsischen Länder verfahren worden ist. Aber auf der anderen Seite sollte das Grundgesetz die Länder nicht daran hindern, von ihren weitergehenden Grundrechten und Ordnungsbestimmungen Gebrauch zu machen. |
|||
1:22:10
Grundrechte als VOR-staatliche Rechte, als Rechte, die der Staat schon ANTRIFFT, wenn er entsteht - und die er nicht erst selbst verleiht.
Schranken der Grundrechte: "Es soll sich jener nicht auf die Grundrechte berufen dürfen, der von ihnen Gebrauch machen will zum Kampf gegen die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung."
KEINE allgemeinen Gesetzesvorbehalte!
Aber beschränkte Gesetzesvorbehalte sollen möglich
sein. |
Die Frage wird auch sein, ob diese Grundrechte betrachtet werden als Rechte, die der Staat verliehen hat, oder als vorstaatliche Rechte, als Rechte, die der Staat schon antrifft, wenn er entsteht, und die er lediglich zu gewährleisten und zu beachten hat. Auch das ist nicht nur von theoretischer, sondern von eminent praktischer Bedeutung, insbesondere für die Entscheidung der Frage, ob diese Grundrechte auch sollen auf Schranken stoßen können: Sollen sie schlechthin absolut unberührbar sein? Ich glaube, dass man bei den Grundrechten eine immanente Schranke wird anerkennen müssen: es soll sich jener nicht auf die Grundrechte berufen dürfen, der von ihnen Gebrauch machen will zum Kampf gegen die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung. Wir wollen nicht mehr, dass man sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen kann nur zu dem einen Zweck, eine Republik zu beseitigen, um an ihre Stelle eine Diktatur zu setzen, die keine Pressefreiheit mehr kennen wird! Wir wollen auch nicht haben, dass man diese Grundrechte mit einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt versieht, wie das etwa in den Verfassungsrichtlinien des Volksrats und in einigen Verfassungen der Länder der Ostzone der Fall ist. Wenn ich jedes Grundrecht durch Gesetz einschränken kann, dann ist es sinnlos, es durch die Verfassung zu garantieren, dann ist es eine bloße Deklamation und keine effektive Wirklichkeit. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt entwertet das Grundrecht, reduziert es auf Null. Man wird aber bei einigen Grundrechten ohne einen beschränkten Gesetzesvorbehalt nicht auskommen können. Ich erinnere nur an alles, was sich aus der Notwendigkeit zum Beispiel der Wohnungsbewirtschaftung ergibt, der Einquartierungen und anderem mehr. Aber man sollte von diesen beschränkten Vorbehalten nur einen äußerst sparsamen Gebrauch machen, und keinesfalls sollen die Möglichkeiten des Gesetzgebers so weit gehen, dass er das Grundrecht in seiner Substanz kränken kann. |
|||
1:25:13
Einschränkung der Grundrechte durch Notstandsrecht?
Erwägungen für den Fall der Notwendigkeit solcher Einschränkungen ...
|
Und nun das Entscheidende: soll der Staat den Grundrechten gegenüber vom Staatsnotstandsrecht Gebrauch machen können, sodass er, wenn er mit den ordentlichen Mitteln nicht fertig werden kann, die Grundrechte aufhebt, um Ruhe und Ordnung und Sicherheit wieder herzustellen? Man wird sich diese Frage sehr genau überlegen müssen. Man wird sich fragen müssen, ob die Tatsache der Unberührbarkeit der Grundrechte in sich selber nicht ein so hohes Gut ist, dass der Staat auch in Zeiten des Notstands vor ihnen soll zurücktreten müssen. Vielleicht kann eine Untersuchung der möglichen Tatbestände zeigen, dass bei Notständen, wie sie bei uns denkbar sind, der Staat im allgemeinen mit den gewöhnlichen polizeilichen Mitteln wird fertig werden können. Vielleicht aber wird man auch zur Erkenntnis kommen, dass diese Mittel nicht genügen könnten und dass dann das Individuum vor dem Notstand des Staates zurückstehen muss. Sollte man zu dieser Überzeugung kommen, wird man aber darauf bedacht sein müssen, dass auch im Fall des Notstands nur bestimmte Grundrechte sollen suspendiert werden dürfen und auch dann nur für Zeit und nur unter der Kontrolle demokratischer Institutionen. |
|||
1:27:04
Das Wahlrecht
Hinweis auf das Problem, wer das Gesetz zur Wahl der ersten parlamentarischen Vertretung des deutschen Volkes erlassen soll.
Warnung vor starren verfassungsmäßigen Vorgaben für die
Wahlgesetze. |
Meine Damen und Herren! Jede Verfassungswirklichkeit hängt letzten Endes von dem Wahlrecht ab, das in einem bestimmten Bereiche gilt. Ich glaube, dass man sich auch in diesem Hause mit dieser Frage des Wahlrechts wird beschäftigen müssen, und sei es nur, um sich darüber schlüssig zu werden, ob Bestimmungen über die Modalitäten eines Wahlgesetzes in dieses Grundgesetz aufgenommen werden sollen oder nicht. Notabene: bis heute scheint mir noch keine Klarheit darüber zu bestehen, wer das Wahlgesetz zur Wahl der ersten parlamentarischen Vertretung des deutschen Volkes erlassen soll, ob es von den Militärbefehlshabern erlassen werden soll oder von den Ministerpräsidenten. Bisher scheint mir nur das eine festzustehen, dass es nicht der Parlamentarische Rat sein soll, der dieses Wahlgesetz erlässt.
Die Frage ist nun, ob nicht durch uns allgemeine Bestimmungen für ein solches Wahlgesetz in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten. Ich für meinen Teil würde darin einen Nachteil sehen. Man soll Wahlgesetze nicht allzu sehr unter Verfassungsschutz stellen. Man sollte Wahlgesetze beweglich lassen, damit sich hier bestimmte Erfahrungen auswirken können und damit sich auch etwas wie ein Stilwandel im politischen Leben auswirken kann. |
|||
1:29:09
- sind keine Staatsorgane
Herstellung eines demokratischen Mindeststandarts: - Aufstellung von Kandidaten in Urwahlen - Mitgliederversammlungen
|
Aber ich glaube, dass etwas anderes in den Kreis unserer Erwägungen mit einbezogen werden sollte, nämlich das Phänomen der politischen Partei. Ich habe es immer seltsam gefunden, dass auch die modernsten Verfassungen bis auf wenige unter ihnen von der Existenz politischer Parteien keine Notiz nehmen. Freilich ist es sicher: die politischen Parteien sind keine Staatsorgane; sie sind aber entscheidende Faktoren unseres staatlichen Lebens, und je nachdem, ob sie so oder anders organisiert sind, haben unsere Staatsorgane diesen oder einen anderen Sinn. Nun scheint es mir richtig zu sein, dass man sehr bald ein Parteiengesetz erlässt, und mir scheint weiter richtig zu sein, dass man in dieses Grundgesetz Mindestbestimmungen für ein solches Parteiengesetz aufnimmt, Bestimmungen, die für die politischen Parteien einen gewissen demokratischen Mindeststandard vorsehen. Ich denke dabei nicht an Lizenzzwang. Ich halte es für eine schlechte Sache, politische Parteien unter Lizenzzwang zu stellen. Aber ich denke, man könnte vielleicht vorsehen, dass die politischen Parteien über die Mittel, die ihnen zufließen, periodisch Rechnung legen müssen oder dass sie ihre Kandidaten in Urwahlen aufstellen müssen oder dass sie einmal im Jahr in Mitgliederversammlungen über ihr Tun Rechnung legen müssen, und Ähnliches. Ich könnte mir vorstellen, dass sich auf diese Weise bei uns einiges zum Nutzen einer echten Demokratie ändern könnte! Vielleicht könnte man sogar daran denken, ob nicht in diesem Grundgesetz eine Bestimmung vorgesehen werden soll, die, wie ich glaube, voreilig in die Länderverfassungen aufgenommene Bestimmungen über das jeweilige Wahlsystem gegenstandslos macht. Aber das ist nur ein Gedanke, den ich hier zur Erwägung geben möchte. |
|||
1:32:15
"Ich möchte behaupten, dass ein Staat sich heute nur dann als volldemokratisch bezeichnen kann, wenn er diesem Prinzip (Recht vor Macht) im Verhältnis zu den anderen Staaten Ausdruck gibt."
Die allgemein geltenden Gesetze des Völkerrechtes als unmittelbar geltendes Recht in diesem Lande.
Hoheitsbefugnisse sollen (auch) auf internationale Organisationen übertragen werden können.
|
Meine Damen und Herren! Zur Demokratie gehört weiter die Anerkennung des
Satzes, dass Recht vor Macht geht, und ich glaube und möchte behaupten,
dass ein Staat sich heute nur dann als volldemokratisch bezeichnen kann,
wenn er diesem Prinzip im Verhältnis zu den anderen Staaten Ausdruck gibt.
Ich brauche hier nicht an die großartigen Gedanken Immanuel Kants zu
erinnern, dort in seiner Schrift Vom Ewigen Frieden, wo er sagt, dass der
Staat selber den Menschen nur dann ins Recht einzubetten vermöge, wenn er
selber im Verhältnis zu den anderen Staaten in das Recht eingebettet sei.
Ich glaube darum, dass das Grundgesetz eine Bestimmung enthalten sollte,
die besagt, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes unmittelbar
geltendes Recht in diesem Lande sind, dass also das Völkerrecht von uns
nicht ausschließlich als eine Rechtsordnung, die sich an die Staaten
wendet, betrachtet wird, sondern auch als eine Rechtsordnung, die
unmittelbar für das Individuum Rechte und Pflichten begründet. Weiter sollte man eine Bestimmung vorsehen, die es erlaubt, im Wege der Gesetzgebung Hoheitsbefugnisse auf internationale Organisationen zu übertragen. Ich glaube, dass dieses Grundgesetz durch eine solche Bestimmung lebendig zum Ausdruck bringen würde, dass das deutsche Volk zum mindesten entschlossen ist, aus der nationalstaatlichen Phase seiner Geschichte in die übernationalstaatliche Phase einzutreten. Wenn wir eine solche Bestimmung nicht aufnehmen, dann wird in jedem einzelnen Falle ein verfassungänderndes Gesetz erforderlich sein, und was das bedeutet, brauche ich hier wohl nicht zu sagen. Wir sollten uns statt dessen selber die Tore in eine neugegliederte überstaatliche politische Welt weit öffnen. Wir wollen uns doch nichts vormachen: in dieser Zeit gibt es kein Problem mehr, das ausschließlich mit nationalen Mitteln gelöst werden könnte. So wie die Ursache aller unserer Nöte eine übernationale Grundlage hat, so können wir auch die Mittel, dieser Nöte Herr zu werden, nur auf übernationaler Grundlage finden.
Freilich sollen die Internationalisierungen, die geschehen, echte Internationalisierungen werden und nicht Hypotheken einseitig zu Lasten des deutschen Volkes. |
|||
1:36:06
Carlo Schmid begrüßt, dass Deutschland keine Wehrmacht mehr
hat und "dass die Wehrhoheit mehr und mehr auf Übernationale
Instanzen überzugehen scheint".
Sich alleine durch die Verfassung zu neutralisieren genüge nicht. |
Und dann stellt sich ein weiteres Problem, das Problem der Sicherheit dieses Gebietes. Wir werden keine Wehrmacht mehr haben. Ich für meinen Teil begrüße es, dass das Zeitalter der nationalen Wehrmachten zu Ende zu gehen scheint und dass die Wehrhoheit mehr und mehr auf übernationale Instanzen überzugehen scheint. Das setzt aber voraus, dass sich die Staaten in einem System kollektiver Sicherheit zusammenschießen, wo die Sicherheit nicht mehr ausschließlich durch das nationale militärische und industrielle Machtpotential garantiert wird, sondern wo die Sicherheit des Einzelnen garantiert wird durch alle Anderen. Ich glaube darum, dass das Grundgesetz eine Bestimmung enthalten sollte, die es möglich macht, auf einfache Weise einem solchen System kollektiver Sicherheit auf der Grundlage der Gegenseitigkeit beizutreten.
Manche meinen, es genüge, dass sich ein Staat durch seine Verfassung neutralisiert. Dieser Wunsch ist verständlich. Jeder blickt gern nach der Schweiz hinüber. Aber so einfach geht es nicht. Es gibt kein Institut der Neutralisierung, die man einseitig erklärt, es gibt nur Gebiete, die durch eine Reihe internationale Verträge neutralisiert sind. Und wenn ich einer Reihe von Nachbarstaaten die Pflicht auferlege, die Neutralität dieses Gebietes zu garantieren, dann muss ich ihnen auch das Recht geben, sich um die Politik dieses Gebietes zu kümmern; denn wenn hier falsche Politik gemacht wird, engagiert das ja ihre Verpflichtungen. Man kann niemandem zumuten, Verpflichtungen zu übernehmen, ohne korrespondierende Rechte zu übertragen. Aus diesem Grunde sollte man nicht so leichtfertig nach Neutralisierung rufen! |
|||
1:38:50
Strafe für Kriegsvorbereitungen jedweder Art als Element des Grundgesetzes
Keine Erzwingung der Abtretung deutscher Gebiete:
|
Ich glaube, dass das Grundgesetz weiter eine Bestimmung enthalten sollte, die jeden unter Strafe stellt, der das friedliche Zusammenleben der Völker stört und Handlungen in der Absicht vornimmt, die Führung eines Krieges vorzubereiten. Ich denke dabei nicht nur an die Fabrikation und den Handel mit Waffen, sondern auch an den Turnverein, in dem in Wirklichkeit Wehrsport getrieben wird. Wohin diese Dinge uns geführt haben, wissen wir jetzt, und wir bezahlen heute die Rechnung für einen Unfug, den wir einmal leichtfertig duldeten.
Ich glaube, dass das Grundgesetz weiter eine Bestimmung enthalten sollte, dass wir die Abtretung deutschen Gebietes ohne die Zustimmung der auf diesem Gebiet wohnenden Bevölkerung nicht anerkennen. Vielleicht können wir gezwungen werden, zu erleiden und zu ertragen, was uns bisher hier angetan worden ist. Aber man wird uns niemals zwingen können, das als Recht anzuerkennen! Weder im Westen noch im Osten! Das gehört zur Ehre eines Volkes und damit auch zur Demokratie. Eine Tyrannis kann es sich leisten, Menschen preiszugeben, eine Demokratie aber nicht!
Wir lesen gegenwärtig wieder in den Zeitungen viel von Gebietsforderungen, die man auch im Westen an uns stellt. Wir müssen anerkennen, dass es überall an den Grenzen Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Wir glauben aber nicht, dass man heute in der Mitte des 20. Jahrhunderts solche Probleme unbedingt mit Methoden lösen muss, die 1814 vielleicht modern gewesen sind. Diese Probleme können nur auf internationaler Grundlage richtig gelöst werden. Man kann sich von Staat zu Staat über die Lösung der Schwierigkeiten einigen, die da und dort durch den Lauf der Grenzen begründet sein mögen, und braucht da nicht gleich Gebietsforderungen zu erheben. Wenn man entschlossen ist, sich in seinem eigenen Lande nationalistischen Regungen entgegenzustellen, dann ist man auch verpflichtet, ein nationalistisches Verhalten auch dann Nationalismus zu heißen, wenn es anderswo geschieht. |
|||
1:42:15
Grundgesetz als Gebilde föderalistischen Typs -
- als ein von den Westalliierten gefordertes Element.
Carlo Schmid hält mehr von Demokratisierung als von Föderalisierung ...
|
Wir müssen dieses Grundgesetz so gestalten, dass ein Gebilde föderalistischen Typs entsteht. Man hat uns das offensichtlich im Rahmen der Sicherheitspolitik auferlegt. Während überall sonst in der Welt Föderalismus Vereinigung von Getrenntem bedeutet, will man ihn bei uns offenbar einführen, um schon Geeintes wieder zu dissoziieren! Also genau den umgekehrten Prozess, den man im eigenen Lande gewählt hat. Ich glaube, es lohnt sich, darüber einige Worte zu verlieren. Glaubt man denn wirklich im Ernst, dass die Sicherheit unserer Nachbarn durch verfassungstechnische Kunststücke garantiert werden kann? Ich glaube nicht, dass die Föderalisierung Deutschlands als solche eine Sicherheitsgarantie für unsere Nachbarn ist. Ich glaube aber, dass Demokratisierung Deutschlands eine Sicherheit für unsere Nachbarn abgeben könnte. Hätten wir 1914 eine unter parlamentarischer Kontrolle stehende Regierung gehabt, dann wäre der Friede gesicherter gewesen, als er es in dem damaligen sehr föderalistisch aufgebauten Deutschland von damals gewesen ist. Der föderalistische Bundesrat hat den Krieg nicht verhindert, ein mächtiges Zentralparlament aber hätte ihn wahrscheinlich verhindert.
Was zur Frage des Föderalismus zu sagen ist, darüber nur einige Worte. Was heißt denn föderalistische Ordnung? Ich glaube, dass sich darauf so viele Antworten geben lassen wie auf die Frage: Was heißt Demokratie? Es gibt eine Reihe von historischen Verfassungsmodellen, die man übereingekommen ist, föderalistisch zu nennen. Sie differieren außerordentlich untereinander. Ich glaube aber doch, dass einige Charakteristika festzustellen sind, die realisiert sein müssen, wenn irgendwo einer Verfassung das Prädikat föderalistisch gegeben werden soll. |
|||
1:45:12
Charakteristika eines föderalistischen Systems:
1. Das Staatgebiet muss gegliedert sein.
2. Eine Bundesgewalt muss bestehen, die innerhalb ihrer Zuständigkeit der Gewalt der Glieder vorangeht.
3. Auf bestimmten Sachgebieten muss eine eigenständige Zuständigkeit der Glieder bestehen.
4. Die Glieder müssen an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sein
5. Ein qualifizierter Schutz gegen Änderungen der föderalistischen Struktur des Grundgesetzes muss vorhanden sein.
Vorrang von Bundesrecht vor dem Landesrecht: Bundesrecht soll Landesrecht brechen.
Grundsätze: 1. Die Lebensinteressen des Ganzen dürfen nicht durch partikulare Egoismen gefährdet werden.
2. Was das Land ohne Schädigung des Ganzen tun kann, das soll es auch allein tun.
Aufbau von unten, aber Planung von oben! |
Das erste scheint mir zu sein, dass das Staatsgebiet in einer Reihe differenzierter Gebietskörperschaften eigener Ordnung gegliedert sein muss: zweitens, dass eine Bundesgewalt bestehen muss, die innerhalb ihrer Zuständigkeit der Gewalt der Glieder vorgeht; drittens, dass auf bestimmten Sachgebieten eine eigenständige ausschließliche oder konkurrierende Zuständigkeit der Glieder bestehen muss; viertens, dass die Glieder an den Organen zu beteiligen sind, die den gesetzgeberischen Willen des Bundes bilden; und schließlich fünftens, dass ein qualifizierter Schutz gegen Änderungen der föderalistischen Struktur der Verfassung vorhanden ist.
Es ist für uns kein Zweifel, dass die deutschen Länder die Grundlage des Gebietes sein müssen, das wir jetzt organisieren, und dass sie eigene Verfassungshoheit und Organisationshoheit haben müssen, eigene Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung und eine vom Bunde getrennte Finanzwirtschaft – alles dies im Rahmen der Bestimmungen des Grundgesetzes. Weiter ist es für uns kein Zweifel, dass eine Bundesgewalt geschaffen werden muss, die nicht die Summe der Ländergewalten ist, sondern eine eigenständige Gewalt, die im Rahmen des Grundgesetzes den Vorrang vor den Ländergewalten haben muss. Bundesrecht soll Landesrecht brechen.
Schwieriger wird es sein, das Verhältnis zu bestimmen, in dem auf beiden Stufen die ausführenden Gewalten zueinander stehen sollen. Ich will hier aber nichts vorwegnehmen, was morgen aus berufenerem Munde dazu ausgeführt werden soll. Lassen Sie mich hier nur noch einiges Grundsätzliche andeuten. Es wird nötig sein, dass wir die Gesetzgebungskompetenz nach Sachgebieten abgrenzen. Die Frage ist, wie wir dabei verfahren sollen. Ich würde es bedauern, wenn man dabei auf Grund irgendwelcher formalistischer Standpunkte – auf Grund eines formalistischen Föderalismus oder eines formalistischen Unitarismus – verfahren würde. Wir sollten überhaupt bei diesen Dingen nicht deduktiv, sondern induktiv verfahren, d. h. nach dem Prinzip der sachlichen Zweckmäßigkeit.
Ich glaube, dass es
dafür zwei Grundsätze gibt, über die wir uns sollten einigen können. |
|||
1:49:17
Zur Frage der territorialen Gliederung des Bundesgebietes:
Bei der Gliederung sollen nicht historische Gegebenheiten sondern rationelle Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Die Länder müssen gegeneinander vernünftig ausgewogen sein.
|
Zu der Frage, wie die Länder an der Bildung des Bundes zu beteiligen sind, wird wohl morgen referiert werden, wenn über den Aufbau der Organe gesprochen werden wird. Ich will hier nur noch über einen Sonderfall sprechen: die Frage der territorialen Gliederung des Bundesgebietes. Soll die Gliederung des Bundesgebietes unverrückbar so bleiben. wie sie heute ist? Soll das geschichtlich Gewordene als letztes Kriterium gelten, oder sollen rationelle Gesichtspunkte bei der Entscheidung dieser Frage walten? Ich bin der Meinung – und mit mir meine Freunde – , dass ein gesunder Föderalismus nur möglich ist, wenn gegeneinander vernünftig ausgewogene Länder vorhanden sind und nicht pure Zufallsgebilde, die großenteils nicht älter sind als drei Jahre und ihre Entstehung dem Zufall der Demarkationslinie zwischen zwei Infanteriedivisionen verdanken. |
|||
1:50:52
Über das Verfahren zur Gliederung der Bundesrepublik
- Soll das Grundgesetz die Möglichkeit vorsehen, eine Neugliederung des Bundesgebietes vom Bunde her zu schaffen?
- Soll da der Wille der beteiligten Bevölkerungen mit in Betracht gezogen werden?
|
Jetzt sollen die Herren Ministerpräsidenten dieses Problem regeln. Sie sollen, bevor unsere Arbeiten abgeschlossen sind, die Neugliederung Deutschlands im Wege einer Änderung der Ländergrenzen vorgenommen haben. Werden sie Erfolg haben oder nicht? Wir können es nur ahnen, aber nicht wissen. Nehmen wir an, es würde ihnen nicht gelingen, sollen wir uns dann endgültig mit dem Zustand begnügen, mit dem die Ministerpräsidenten nicht fertig werden konnten? Wir werden uns schlüssig werden müssen: Soll das Grundgesetz die Möglichkeit vorsehen, eine Neugliederung des Bundesgebietes vom Bunde her zu schaffen? Soll diese Neugliederung durch die Länder selbst vorgenommen werden, etwa im Wege gegenseitiger Verträge und Vereinbarungen? Bei den bisher mit diesem System gemachten Erfahrungen werden, glaube ich, alle am bisherigen Zustand Interessierten ihren Schlaf weiter in Ruhe genießen können. Soll, wenn die Neugliederung durch Bundesgesetz vorgenommen werden soll, der Wille der beteiligten Bevölkerungen mit in Betracht gezogen werden? So oder anders? Alles das werden Fragen sein, um die man. sich hier wird bemühen müssen. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir um diese Fragen herumkommen werden. Aber eines möchte ich sagen: Sollte es je einmal gelingen, die Gliederung Deutschlands nach vernünftigen Gesichtspunkten durchzuführen, dann sollte man es bei dem geschaffenen Zustand sein Bewenden haben lassen. Dann sollte man ruhig konservativ verfahren. |
|||
1:53:16
Schluss
|
Meine Damen und Herren! Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angelangt. Sie sind Ihnen vielleicht gelegentlich ein wenig theoretisch vorgekommen. Aber glauben Sie mir, es ist mir nicht um Spekulationen gegangen! Ich habe versucht, eine klare Definition der Wirklichkeit zu geben und sonst nichts. Denn nur auf einer klar definierten Wirklichkeit kann man eine Politik aufbauen, die ihren Namen verdient. Mit Illusionen und mit Fiktionen kann man sich etwas vormachen, eine Zeitlang vielleicht auch anderen. Man kann sich ihrer vielleicht eine Zeitlang sogar als Instrumente einer Politik bedienen, aber man kann Fiktionen nicht zu Fundamenten einer Politik machen, nicht einmal zu Ansatzpunkten für den Hebel einzelner politischer Aktionen. Mein Anliegen ist gewesen, klare Einsicht zu vermitteln und dabei nüchtern zu verfahren. Klare Einsicht und Nüchternheit und leidenschaftliche Liebe zum deutschen Volke und brennende Sorge um den Frieden werden die Sozialdemokratische Partei bei ihrer Arbeit im Parlamentarischen Rate leiten. Einsicht und Nüchternheit gebieten, die Begrenzungen zu erkennen, denen unsere Möglichkeiten unterworfen sind. Je mehr wir bei voller Ausschöpfung dieser Möglichkeit dieser Realität Rechnung tragen, desto wirksamer wird das Instrument sein, das wir zu schmieden haben. Wofür schmieden wir dieses Instrument? Schmieden wir es, um Deutschland zu spalten? Wir schmieden es, weil wir es brauchen, um die erste Etappe auf dem Wege zur staatlichen Einigung aller Deutschen zurückzulegen! Noch liegen die weiteren Etappen außerhalb unseres Vermögens. Möchten die Besatzungsmächte sich der Verantwortung bewusst sein, die sie übernommen haben, als sie sich zu Herren unseres Schicksals aufwarfen. Diese Verantwortung schließt die Pflicht ein, um des Friedens Europas willen Deutschland endlich den Frieden zurückzugeben und damit dem deutschen Volk die Möglichkeit, von seinem unvernichtbaren Recht auf eigene Gestaltung der Formen und Inhalte seiner politischen Existenz Gebrauch zu machen. Ein geeintes demokratisches Deutschland, das seinen Sitz im Rate der Völker hat, wird ein besserer Garant des Friedens und der Wohlfahrt Europas sein als ein Deutschland, das man angeschmiedet hält wie einen bissigen Kettenhund! |
|||
|
(Beifall) |
|||
|
|
|||
|
|
|||
|
|
|||